Argula von Grumbach
Luther, Melanchton, Zwingli- allesamt Reformatoren, die in der Theologie bekannt sind. Doch was ist mit den Frauen dieser Zeit? Es existieren Flugschriften von Frauen aus der Reformation, die ebenfalls ihre reformatorischen Ideen verbreiteten. Argula von Grumbach war eine dieser Frauen.
Biographie
Argula von Grumbach wurde 1492 in das Richtergeschlecht der Stauffer bei Beratzhausen, im heutigen Landkreis Regensburg, geboren (vgl. Kommer 2013: 65). Bereits mit zehn Jahren las sie in der Bibel, die sie von ihrem Vater geschenkt bekam. Zu Hause und am Münchener Hof wurde sie weitergebildet, auch wenn sie nie an einer Universität war (vgl. Kommer 2013: 68).
Sie war die erste Frau, die sich in Form von Flugschriften an dem Diskurs der Reformation beteiligte. Argula von Grumbach verfasste acht Flugschriften zwischen September 1523 und Herbst 1524. Für ihr reformatorisches Engagement stand sie in Kontakt mit Luther. 1523 wurde sie außerdem zum Nürnberger Reichstag eingeladen. 1530 nahm sie am Augsburger Reichstag teil, wo sie Vermittlerin zwischen Martin Bucer und Philipp Melanchthon war (vgl. Kommer 1992: 67). Neben ihrer literarischen Schreibtätigkeit und ihrem Engagement an der Weiterentwicklung der Reformation war sie (trauernde) Mutter und zweifache Witwe. Sie musste sich gegen ihren Ehemann wehren, der eigentlich nicht wollte, dass sie Flugschriften verfasste. Die Forschung konnte das Todesjahr Argula von Grumbachs (noch) nicht vollständig klären. Die vorherrschenden Datierungen ihres Todesjahres sehen das Jahr 1554 oder 1556/57 vor (vgl. Matheson 2010: 25, Anm.1.).
Theologie und Einflüsse
Am 23. September 1523 verfasste sie ihre erste Flugschrift „Wie eyn fraw des christlichen adels in Beiern…“ an die Ingolstädter Universität. In dieser Flugschrift kritisiert sie die Verurteilung des 18-jährigen Studenten Arsacius Seehofers, der zu einem Widerruf seiner reformatorischen Ansichten aufgefordert wurde. Sie verteidigt ihn und andere Reformatoren –wie Luther und Melanchthon– und fordert am Ende eine Disputation mit den Ingolstädter Dozenten über die Bibel. Da sie kein Latein konnte, sollte die Disputation auf Deutsch stattfinden. Zu dieser Disputation kam es nie, aber es folgten weitere reformatorische Flugschriften ihrerseits, wie z.B. an den Herzog oder den Stadtrat von Ingolstadt.
In ihren Flugschriften wendet sie sich vor allem reformatorischen Themen zu (wie z.B. dem Schriftverständnis, der lutherischen Theologie, dem Verhältnis von geistlicher und weltlicher Obrigkeit). Sie thematisiert ebenfalls ihr Selbstverständnis als Frau.
Nach Argula von Grumbach ist die Schrift die gottgegebene Autorität, die alles regieren solle (vgl. Matheson 2010: 69). Das Handeln nach dem Evangelium sei ebenfalls von Gott legitimiert, im Gegensatz zu dem Handeln der Altgläubigen (vgl. Matheson 2010: 65). Sie postuliert das lutherische „sola scriptura“.
Zwar argumentiert sie mit lutherischen oder von anderen Reformatoren formulierten Ideen, trotzdem kommt sie zu dem Schluss, am Ende Jesus Christus und die Schrift das Zentrum bilden.
Für ihre literarische Schreibtätigkeit ließ sie sich von dem Reformator Georg Spalatin alle Werke Luthers zuschicken, die auf Deutsch erschienen waren. Zudem hatte sie Kontakt zu dem Nürnberger Reformator Andreas Osiander (vgl. Kommer 2013: 69).
Exkurs: Frauen in der Reformation
Dass eine Frau Professoren aufforderte, mit ihr zu diskutieren, ist damals mehr als ungewöhnlich. Frauen wurden von der öffentlichen Diskussion ausgeschlossen und verheiratete Frauen standen unter der Vormundschaft des Ehemannes, der für die reformatorischen Handlungen seiner Frau verantwortlich war und auch dafür zur Rechenschaft gezogen werden konnte (vgl. Kommer 2013: 14). Die Teilnahme an der Reformation bedingte eine Lese- und Schreibfähigkeit. Diese wurde zum einen an Klöstern und zum anderen an Adels- und Fürstenhöfen auch Mädchen vermittelt (vgl. Kommer 2013: 20). Flugschriften ermöglichten Frauen die aktive Teilnahme am Diskurs und die Verbreitung ihrer reformatorischen Ideen (vgl. Kommer 2013: 29). Argula von Grumbach setzt sich mit dem Thema auseinander, dass sie als Frau sich an diesem Diskurs beteiligt. Somit greift sie Zitate aus der Bibel auf, die ein Schweigen der Frau in der Kirche fordern; u.a. 1.Tim 2,12 („Die weiber sölle(n) schweigen vn(d) nit reden in der Kirche“) (vgl. Matheson 2010: 67). Sie legitimiert ihr Auftreten durch die mattheische (Mt 10,32-33) und die lukanische (Lk 9,26a) Aussendungsrede. Mit diesen neutestamentlichen Zitaten stützt sie auch ihre Flugschrift und das Einbeziehen von Frauen in die Gemeinschaft Gottes: „Dan(n) es werden weder frawe(n) noch ma(n) darinne(n) ausgeschlossen“ (Matheson 2010: 64). Argula von Grumbach sieht es als ihre „Christliche Pflicht“ (Matheson 2010: 92), sich zu äußern.
Rezeption:
Mit einer Antwort auf ein Spottgedicht im Herbst 1524, das gegen sie verfasst wurde, stellte Argula von Grumbach ihre literarische Schreibtätigkeit ein. Die Gründe dafür sind unklar. (Vgl. Halbach 1992: 91)
Grumbachs erste Flugschrift wurde unter anderem in den fünf großen Städten Augsburg, Bamberg, Eilenburg, München und Stuttgart gedruckt (vgl. Matheson 2010: 81). Halbach vermutet, dass es in den Jahren 1523/24 zu ca. 29.000 Flugschriftenexemplaren kam (vgl. Halbach 1995: 16). Johann Kessler aus St. Gallen und andere Reformatoren waren im Besitz ihrer Schriften (vgl. Matheson 2014: 126). Auch Luther nahm in einem Brief an Johannes Brießmann in Königsberg 1524 Bezug zu Argula von Grumbach und bezeichnete sie als „edelste Frau Argula von Stauffen“ (Markert 2008: 209). In katholischen Kreisen hingegen bekam sie den Namen der „Lutherischen Medea“ (Matheson 2014: 126.).
Argula von Grumbach erfährt neben der Theologie großes Interesse in der Germanistik, in der Sozial-, Frauen- und in der Regionalhistorik (vgl. Matheson 2014: 126.).
Werk
Ihre erste Flugschrift an die Ingolstädter Universität vom September 1523 ist inhaltlich eng an ihre zweite Flugschrift an Wilhelm IV., den Herzog von Bayern verknüpft. Beide Flugschriften markieren den Beginn ihrer literarischen Schreibtätigkeit und eröffnen ihr Anliegen.
Peter Matheson veröffentlichte 2010 ein Sammelband mit allen acht Flugschriften Argula von Grumbachs. Der Sammelband ist zu empfehlen, da Matheson vor dem Lesen der Lektüre Hintergrundinformationen zu den einzelnen Flugschriften gibt.
Literatur:
Bainton, Roland H.: Frauen der Reformation. Von Katharina von Bora bis Anna Zwingli 10 Porträts, Gütersloh 1995.
Halbach, Silke: Argula von Grumbach als Verfasserin reformatorischer Flugschriften (EHS.T 468), Frankfurt a. Main 1992.
Dies.: Argula- eine Frau kämpft für die Reformation, in: Luther 66 Nr.1 (1995), 10-23.
Kommer, Dorothee: Reformatorische Flugschriften von Frauen. Flugschriftenautorinnen der frühen Reformationszeit und ihre Sicht von Geistlichkeit (AKThG 40), Leipzig 2013.
Markert, Gerhard: Menschen um Luther. Eine Geschichte der Reformation in Lebensbildern, Ostfildern 2008.
Matheson, Peter (Hrsg.): Argula von Grumbach. Schriften (QFRG 83), Gütersloh 2010.
Ders.: Argula von Grumbach. Eine Biographie, Göttingen/Bristol 2014.
Ders.: Argula von Grumbach, in: Reformatorenlexikon; Dingel, I; Leppin, V. (Hrsg.) (2014), 123-127.
Stjerna, Kirsi: Women and the Reformation, Malden/Oxford 2009.
Herzlichen Dank an Stud. Theol. Franziska Escher (Marburg), die uns ihre KG Hausarbeit zum Thema aufgearbeitet und zur Verfügung gestellt hat!
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